20.04.2005 Interview mit Maksim Jefimow dem Vorsitzenden des regionalen Zweiges der uberregionalen wohltatigen Jugendorganisation „Jugendinitiative fur Menschenrechte“ (Molodesnaja prawozaschtschitnaja gruppa, MPG) in Karelien und Redakteur der antifaschistischen Zeitung „Stunde Null“ (Tschas Nol).
Interview mit Maksim Jefimow dem Vorsitzenden
des regionalen Zweiges der uberregionalen wohltatigen
Jugendorganisation „Jugendinitiative fur Menschenrechte“
(Molodesnaja prawozaschtschitnaja gruppa, MPG) in Karelien und
Redakteur der antifaschistischen Zeitung „Stunde Null“ (Tschas
Nol).
- Deine Organisation „Jugendinitiative fur
Menschenrechte“ arbeitet mit dem „Karelischen Verein ehemaliger
minderjahriger KZ-Gefangener in Deutschland“ zusammen. Welches Ziel
steht hinter dieser Zusammenarbeit?
- Diese Art der
Zusammenarbeit ist einzigartig. Beide Organisationen setzen sich auf
ihre Weise fur die Nichtverbreitung von nationalistischem,
faschistischem und rassistischem Gedankengut in Russland ein.
Infolge der uber zehnjahrigen Zusammenarbeit konnte das
Maximilian-Kolbe-Museum zum Gedenken an die Opfer des Faschismus
eingerichtet werden. Dieses Museum ist ein Mahnmal, es soll dazu
beitragen, die Erinnerung an die schreckliche Zeit des Naziregimes
aufrechtzuerhalten. Das Museum hat einen gro?en erzieherischen Wert.
Die dort ausgestellten Exponate hinterlassen beim Besucher einen
unglaublich starken Eindruck. Unsere Organisation gibt eine
antifaschistische Zeitung heraus, organisiert in Schulen Vortrage zu
dem Thema und informiert daruber auf ihrer Website. Daruber hinaus
erteilen unsere Juristen ehemaligen Gefangenen rechtlichen Rat.
Jungst haben wir unsere Krafte vereint und im Museum ein
antifaschistisches Zentrum fur Jugendliche gegrundet.
-
Kannst du uns ein wenig mehr uber dieses Zentrum erzahlen?
-
Dazu gibt es so viel zu sagen, dass sich ein ganzes Interview fullen
lie?e! Die Initiative zur Grundung des antifaschistischen
Jugendzentrums geht in erster Linie auf Wadim Nikolajewitsch Misko,
den Vorsitzenden des „Karelischen Vereins der ehemaligen
minderjahrigen KZ-Gefangenen in Deutschland“ zuruck. Er hatte von
meiner Arbeit gehort, was in ihm die Idee eines Jugendzentrums
entstehen lie?. Das Zentrum begann seine Arbeit mit einer Aktion,
bei der faschistische Schmierereien auf Grabern des judischen
Friedhofs in Petrosawodsk beseitigt wurden. Vandalismus-Aktionen,
die Entweihung judischer Graber waren fur die ortlichen Nazis zur
alltaglichen Beschaftigung geworden. In unserer Stadt gibt es aber
Menschen, die den Holocaust hautnah erlebt haben! Diese Menschen
mussen gro?en Schmerz beim Anblick dieser Besudelungen empfunden
haben! Wir wollten den herrschenden, entehrenden Zustand nicht
akzeptieren und beschlossen, das gesamte nazistische Geschmiere zu
entfernen, das in jeder normalen Gesellschaft verurteilt werden
muss!
- Das Maximilian-Kolbe-Museum fur die Opfer des
Faschismus in Petrozawodsk ist vielen noch unbekannt,
richtig?
- Eine vollkommen berechtigte Anmerkung! So paradox
das auch klingen mag, aber uber das karelische Museum erfuhr man
zuerst in Deutschland und erst dann in Petrozawodsk.
Vor
kurzem kam ein deutsches Kamerateam nach Petrozawodsk, das einen
Film uber ehemalige KZ-Gefangene drehte. Darin kam auch unser Museum
vor. Es erwies sich als extrem schwierig, die verschiedenen
burokratischen Hurden zu uberwinden. Bis vor kurzem gab es nicht
einmal ein Gebaude, in dem die Exponate wenigstens hatten aufbewahrt
werden konnen, dabei gab es schon eine beachtliche Sammlung. Infolge
dieser traurigen Situation wurde ein Teil der Museumsstucke
unbrauchbar, weshalb wir jetzt neue Krafte und Mittel aufbringen
mussen, um die fur immer verloren gegangenen Materialien zu
ersetzen. Erst im letzten Monat hat das Museum ein eigenes Gebaude
erhalten, dank des Einsatzes des Ministers fur Sozialschutz
Kareliens Nikolaj Tschernenko. Bald wird die Ausstellung der
Offentlichkeit zuganglich sein. Das Museum befindet sich jetzt in
der Ulitsa Prawdy (Stra?e der Wahrheit) 36.
- Wie kam es zu
deiner Entscheidung, Redakteur der antifaschistischen Zeitung
„Stunde Null“ zu werden?
- Da fallt mir eine Anekdote zur
ersten Ausgabe der Zeitung ein. Auf der Titelseite hatte ich einen
Artikel mit der Uberschrift „Die zerstorerischen Krafte der Macht“
veroffentlicht. Ein Unternehmensdirektor, dem die Zeitung in die
Hande gefallen war, der sie aber noch nicht gelesen hatte, warnte
mich daraufhin, ich solle mit meiner Kritik der ortlichen Regierung
vorsichtiger sein, man wisse nie, was sonst passiere. In dem Artikel
ging es aber um die Machenschaften im Dritten Reich. Wir haben
spater noch lange daruber gelacht. Der Journalismus ist fur mich
einerseits ein Hobby, eine Moglichkeit, mich auszudrucken, eine
kreative Tatigkeit und andererseits eine Moglichkeit, meine
burgerliche Pflicht zu erfullen. Man darf nicht schweigen, wenn
einem etwas auf dem Herzen liegt, wenn man die soziale Ordnung als
ungerecht empfindet. Man muss seine Meinung zur herrschenden Ordnung
laut au?ern und versuchen sie zu andern.
- War das der Grund,
warum du die Menschenrechtsinitiative fur Jugendliche ins Leben
gerufen hast?
-Ja, genau das war der Grund. Ich arbeite mit
uneigennutzigen und bemerkenswerten Menschen zusammen, die sich fur
das, was um sie herum geschieht, verantwortlich fuhlen. Diese
Menschen wurde ich als echte Burger bezeichnen.
- Stelle uns
deine Zeitung doch einmal genauer vor. Wie ist sie entstanden,
welche Ziele und Aufgaben verfolgt sie? Welche Autoren und Leser hat
sie?
- Gerne! Der Titel der Zeitung weist schon auf die Ziele
und Aufgaben sowie auf die Zielgruppe hin. Die Zeitung richtet sich
gegen den Antifaschismus und an die Jugend. Das Hauptziel ist, der
Verbreitung des Faschismus und Nationalismus unter den Jugendlichen
mithilfe des geschriebenen Wortes vorzubeugen. Die Idee zur Zeitung
stammt von mir. Ausgehend von meiner Sichtweise eines Problems
sammle ich Bilder und Artikel und setze Akzente. An der Herausgabe
der Zeitung sind Studenten und Doktoranden der Hochschulen in
Petrozawodsk beteiligt. Es handelt sich dabei um Menschen, die der
Verbreitung faschistischer und nationalistischer Ideen in unserer
Gesellschaft nicht gleichgultig gegenuber stehen und die an der
journalistischen Tatigkeit, an anderen Menschen, der Geschichte und
dem gesellschaftspolitischen Leben interessiert sind. Dank der
Unterstutzung des Sekretariats der Barenzew-Region konnten wir
bisher vier Ausgaben der Zeitung „Stunde Null“ veroffentlichen. In
elektronischer Form sind bereits 16 Ausgaben erschienen.
-
Wieso setzt du dich gerade fur die Nichtverbreitung faschistischen
und nationalistischen Gedankenguts ein? Worin liegt dein Engagement
begrundet? Wovon wirst du geleitet?
- In erster Linie von
meinen moralischen Grundsatzen, von meinen Vorstellungen von Gut und
Bose. Dabei lasse ich die Meinung der Mehrheit au?er Acht. Ich
mochte in einer gerechten und glucklichen Gesellschaft leben, in der
menschliche Gesetze gelten und nicht die Gesetze des Dschungels. Ich
mochte mich dagegen wehren, dass die komplexeren Organismen von
Einzellern abhangen. Mein Gro?vater wurde verfolgt. Meine Gro?mutter
musste ihre Jugend der Rustungsindustrie opfern. Meine Familie hat,
wie Millionen anderer Familien auch, die Schrecken des Krieges und
des Totalitarismus selbst erfahren. Ich mochte nicht, dass unser
Land wieder dieselben Fehler macht. Ich glaube daran, dass Russland
eine gluckliche Zukunft hat!
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